Antibiotika: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 7. Mai 2022, 08:54 Uhr

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Die folgende Übersicht soll Ihnen die wichtigsten Informationen zu denen in diesem Wiki genannten Antibiotika zur Verfügung stellen. Explizit soll es auch der Gruppe helfen, die die Antibiotika regelmäßig anwenden, also vornehmlich der Berufsgruppe der Pflegenden. Dies soll dazu beitragen die Anwendungssicherheit von Antibiotika zur erhöhen. Antibiotic Stewardship setzt in hohem Maß eine interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit voraus.

Kimba elearning 128.png Zu den Anwendungshinweisen steht den Mitarbeiter:innen der Ubbo-Emmius-Kliniken auf unserer eLearning Plattform ein Fortbildungsmodul zur Verfügung. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an das ABS Team.


Ampicillin/Sulbactam

Bei Ampicillin/Sulbactam handelt es sich um eine Kombination eines Aminopenicillins mit einem Beta-Laktamase-Hemmers. Die Standarddosierung besteht aus 2g Ampicillin plus 1g Sulbactam.


Applikation:

  • bei nicht kritisch kranken Patienten (i.d.R. Patienten auf Normalstation) Gabe als Kurzinnfusion über 30 Minuten
  • bei kritisch kranken Patienten (v.a. ITS Patienten) Gabe über Perfusor über 4 Stunden (wenn mit G5 aufgelöst dann maximal über 2 Stunden)


Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz:

Dosisanpassung bei NI
Nierenfunktion Dosis Kommentar
Referenzdosis 3g alle 6 h
GFR > 50 3g alle 6 h
GFR 30-50 3g alle 6-8 h
GFR 15-29 3g alle 12 h
GFR < 15 3g alle 24 h
Hämodialyse 3g alle 24 h an Dialysetagen Gabe nach Dialyse
Hämofiltration 3g alle 12 h
Peritonealdialyse 3g alle 24 h

Gentamicin

Allgemeines

Aminoglykosid-Antibiotika sind bakterizid wirkende Antibiotika auf proliferierende und ruhende Bakterien. Sie binden an die 30s und 70s Untereinheit der Ribosomen und hemmen damit die Proteinbiosynthese und führen zudem zu veränderten Proteinen. Diese werden in die Zellwand eingebaut wodurch diese geschädigt wird, was letztendlich zur Lyse der betroffenen Bakterien führt. Nach intravenöser Gabe zeigen Aminoglykoside eine gute Verteilung im Extrazellulärraum. Sie sind gut plazentagängig, reichern sich aber kaum in Knochen und ZNS an. Auch ihre Fähigkeit zur intrazellulären Penetration ist kaum vorhanden. Die Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe geht gegen null. Aminoglykosid-Antibiotika werden kaum metabolisiert und fast vollständig renal eliminiert. Durch die glomeruläre Filtration und zusätzlicher tubulärer Rückresorption werden zudem hohe Konzentrationen im Urin erzielt.

Applikation

  • als Kurzinfusion über 60 Minuten


Talspiegel

  • Patient nicht dialysepflichtig: < 1 mg/l
  • bei kritisch kranken Patienten < 2,5 mg/l
  • Patient dialysepflichtig: 3-5 mg/l (Abnahme direkt vor der Dialyse)
512px-Ambox important blue.svg.png Falls der Talspiegel zu hoch ist, sollte vorzugsweise eine Verlängerung des Dosierungsintervalls in Erwägung gezogen werden (damit weiterhin hohe Spitzenspiegel erreicht werden)


Spitzenspiegel

  • korrelieren mit Effektivität; Abnahme 1 h nach Ende der Infusion
  • Im Einzelfall kann eine Bestimmung der Spitzenspiegel erwogen werden
  • Ziel(spitzen)spiegel
  • Minimale Hemmkonzentration (MHK) des relevanten Erregers bekannt: Cmax / MHK > 8
  • Minimale Hemmkonzentration unbekannt: Cmax > 10 mg/l (ggf. höher bei kritisch kranken Patienten)


Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz:

Referenzdosis 2 mg/kg KG. Die folgende Tabelle dient der Anschauung.

Dosisanpassung bei NI
Nierenfunktion Umrechnungsfaktor Folgedosis bezogen auf Referenzdosis
GFR < 100 0,8 1,6 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR > 70 0,65 1,3 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR < 55 0,55 1,1 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR < 45 0,5 1,0 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR < 40 0,4 0,8 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR < 35 0,35 0,7 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR < 30 0,3 0,6 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR < 25 0,25 0,5 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR < 20 0,2 0,4 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR < 15 0,15 0,3 mg/kg KG alle 12 bis 24h
GFR < 10 0,1 0,2 mg/kg KG alle 48 h
Hämodialyse Dosis:

2 mg/kg KG alle 48h

Folgedosis nach Dialyse (50% der normalen Dosis).

Bei bekannten Reistenzen volle Dosis vor Dialyse[1][2]

Spiegelkontrolle direkt vor Dialyse

Hämofiltration 2 mg/kg KG alle 24h
Peritonealdialyse 2 mg/kg KG alle 24h


Strategien zur Vermeidung toxischer Nebenwirkungen

  • therapeutisches Drugmonitoring (TDM) bei Therapie länger als 3 Tage (Talspiegelbestimmung)
  • Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörung
  • tägliche Einmalgabe (Ausnahme: Endokarditis)
  • kurze Therapiedauer von 3 bis 5 Tagen (Ausnahme: Endokarditis)
  • Gabe als Kurzinfusion über eine Stunde
  • Vermeidung anderer nephro-/ototoxischer Medikamente (Bsp.: Furosemid), oder zeitlich versetzte Gabe


Quellen

  1. Layeux B, Taccone FS, Fagnoul D, Vincent JL, Jacobs F. Amikacin monotherapy for sepsis caused by panresistant Pseudomonas aeruginosa. Antimicrob Agents Chemother 2010;54:4939-41.
  2. Veinstein A, Venisse N, Badin J, Pinsard M, Robert R, Dupuis A. Gentamicin in hemodialyzed critical care patients: early dialysis after administration of a high dose should be considered. Antimicrob Agents Chemother 2013;57:977-82.


Vancomycin

Grundsätzliches Glykopeptid-Antibiotika greifen ähnlich wie die beta-Laktam-Antibiotika in die Zellwandsynthese der Bakterien an. Allerdings behindern sie nicht die Murein-Biosynthese, sondern bilden einen Komplex mit den endständigen D-Alanyl-D-Alanin Ketten des Mureins. Damit verhindern Glykopeptid-Antibiotika durch eine Glycinkette die Quervernetzung der Bakterienzellwand. Durch die fehlende Vernetzung kann die Bakterienzellwand dem hohen osmotischen Druck nicht standhalten, wodurch sie platz. Glykopeptid-Antibiotika sind somit bakteriolytisch. Glykopeptid-Antibiotika werden nach oraler Gabe im Darm nicht resorbiert, was man sich in der Behandlung von C. diff. assoziierten Diarrhöen zu nutze macht. Appliaktion
Bei zu schneller Infusion kann es zu erheblichen Nebenwirkungen wie z.B. "Red Man Syndrom“, Blutdruckabfall einschließlich Schock und selten zu einem Herzstillstand kommen, daher

  • Dosis < 600 mg als Infusion über 60 Minuten
  • Dosis > 600 mg: 10 mg/min (Bsp.: 1g über 1,5h)


Initialdosis
Zur Erreichung eines adäquaten Serumspiegels ist eine Initial Dosis erforderlich. Diese ist unabhängig von der Nierenfunktion.

Initialdosis
Körpergewicht Dosis
40-59 kg 1000 mg
60-90 kg 1500 mg
> 90 kg 2000 mg


Erhaltungdosis
Die Gabe der Erhaltungsdosis richtet sich Körpergewicht und Nierenfunktion, zudem

  • 12 Stunden nach der Initialdosis
  • 15 mg/kg alle 12 Stunden
  • bei schweren/lebensbedrohlichen Infektion, der infektiösen Endokarditis, oder schwer zugänglichem Kompartiment sind Dosen bis 30 mg/kg KG möglich. Hier sollte aber auf jeden Fall zumindest ein ABS Experte zu Rate gezogen werden
  • Tagesgesamtdosis auf zwei gleiche Einzeldosen aufteilen
  • Talspiegelkontrolle vor der vierten Dosis (nach erreichen eines stady-state), dann Dosierung nach Wert


Tabelle dient der Orientierung, ausgehend von einem normalgewichtigen nierengesunden Patienten

Erhaltungsdosis
Körpergewicht Dosis
< 55 kg 2x 750 mg
55-75 kg 2x 1000 mg
> 75-90 kg 2x 1250 mg
< 90 kg 2x 1500 mg


therapeutisches Drugmonitoring (TDM)

  • Talspiegelkontrolle zwingend erforderlich
  • Talspiegelziel: 10-15 mg/l
  • Bei schweren Infektionen oder schwer zugänglichen Kompartimenten: Ziel 15 – 20 mg/l
  • erste Spiegelbestimmung vor der vierten Dosis
  • Abnahme unmittelbar vor der Applikation der nächsten Dosis
  • Spitzenspiegel-Messung in der Regel nicht erforderlich, falls doch erwünscht: Abnahme frühestens 60 Minuten nach Infusionsende


Dosisanpassung

Dosisanpassung nach Talspiegel
Talspiegel Dosisanpassung
< 8 mg/l Dosiserhöhung um ca. 50%
8 – 10 mg/l Dosiserhöhung um ca. 25%
10 – 15 mg/l Dosis beibehalten
15 – 20 mg/l Dosisreduktion um ca. 25%
20 – 30 mg/l Dosisreduktion um ca. 50%
> 30 mg/l wenn richtig abgenommen, Vancomycin pausieren, erneute Spiegelkontrolle,
wieder ansetzen wenn Spiegel < 15 mg/l
Ambox important orange.svg.png
  • Weitere Spiegelkontrollen: 2 – 3 mal pro Woche, bei Veränderungen der Nierenfunktion häufiger, bei Dosisänderung vor der vierten Dosis
  • Verordnete Dosis auf die nächsten 250mg runden


Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz

  • die Dosisanpassung richtet sich grundsätzlich nach dem Talspiegel
Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
Nierenfunktion Initialsdosis Erhaltungsdosis
GFR > 100 15-20 mg/kg KG alle 8-12 Stunden 15-20 mg/kg KG
GFR 50-100 15-20 mg/kg KG alle 12 Stunden 15-20 mg/kg KG
GFR 20-19 15-20 mg/kg KG alle 24 Stunden 15-20 mg/kg KG
GFR < 20 15-20 mg/kg KG alle 48 Stunden 15-20 mg/kg KG
Hämodialyse 10-15 mg/kg KG, Vancomycin Gabe zur Dialyse, bei "high-flux" Dialyse Dosis um 25% erhöhen Talspiegelkontrolle vor Dialyse
Hämofiltration 15-20 mg/kg KG 10-15 mg/kg KG Gabe erst nach Talspiegelkontrolle


Strategien zur Vermeidung toxischer Nebenwirkungen
Glykopeptid-Antibiotika fallen durch eine Reihe an möglicher schwerwiegender Nebenwirkungen auf. Daher sollte bei längerer Anwendung immer ein therapeutisches Drugmonitoring (TDM) durch Talspiegelbestimmung stattfinden. Mögliche Nebenwirkungen sind:

  • nach zu rascher Infusion: Flush ("red neck", "red man"), Urtikaria, RR-Abfall, Dyspnoe, Schmerzen und Krämpfe in Brust und Rücken (langsame Infusion!)
  • Ototoxizität, v.a. bei Niereninsuffizienz
  • Nephrotoxizität, v.a. bei Niereninsuffizienz und/oder gleichzeitiger Gabe nephrotoxischer Medikamente, besonders bei Aminoglykosiden (Bsp.: Gentamicin)
  • Neutropenie
  • Überempfindlichkeitsreaktionen (Exanthem)
  • Übelkeit
  • Thrombophlebitis bei nicht ausreichender Verdünnung
  • Schmerzen/Nekrosen bei paravasaler Gabe
  • verstärkte Wirkung von Muskelrelaxantien (Cave: OP)
  • Narkotika können Auftreten von Nebenwirkungen verstärken
  • bei entzündlichen Darmerkrankungen können nach oraler Gabe klinisch bedeutsame Serumkonzentrationen auftreten