Harnwegsinfektionen: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine der häufigsten Infektionen im ambulanten und klinischen Setting. Grundsätzlich ist Urin Screening v.a. in der ZNA/Notaufnahme als kritisch zu betrachten, da es zu Übertherapien führen kann. Zur Therapieentscheidung immer Klinik berücksichtigen.
Eine der häufigsten Infektionen im ambulanten und klinischen Setting. Grundsätzlich ist Urin Screening v.a. in der ZNA/Notaufnahme als kritisch zu betrachten, da es zu Übertherapien führen kann. Zur Therapieentscheidung immer Klinik berücksichtigen.
 
<br />
== Erreger ==
==Definition==
Erregerspektrum
Bei der Diagnostik, Therapie und Prävention einer Zystitis sollten folgende Patientengruppen voneinander unterschieden werden:
* in 80% gram-negative Erreger, wie: E. coli und Klebsiella spp.
<ul><li>Nicht-schwangere Frauen in der Prämenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen</li><li>Schwangere ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen</li><li>Frauen in der Postmenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen</li><li>Jüngere Männer ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen</li><li>Patient*Innnen mit Diabetes mellitus und stabiler Stoffwechsellage ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen</li></ul>
* in 20% gram-positive Erreger, wie: Staphylokokken, Enterokokken, B-Streptokokken
<br />
 
===Unkomplizierte Harnwegsinfektion===
Eine Harnwegsinfektion wird als unkompliziert eingestuft, wenn
<ul><li>im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien vorliegen</li><li>keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen/Differenzialdiagnosen vorliegen</li></ul>
<br />
===Zystits===
Eine Zystitis (untere Harnwegsinfektion) wird angenommen, wenn sich die akuten Symptome nur auf den unteren Harntrakt beziehen.
<ul><li>neu aufgetretene Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie)</li><li>imperativer Harndrang</li><li>Pollakisurie</li><li>Schmerzen oberhalb der Symphyse</li></ul>
<br />
===Pyelonephritis===
Eine Pyelonephritis (obere Harnwegsinfektion) sollte angenommen werden, wenn sich bei den akuten Symptomen, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (> 38 °C) finden.<ul></ul>
<br />
===asymptomatische Bakteriurie===
* ab einer Keimzahl von 10<sup>4</sup> ohne klinische Symptomatik, spricht von asymptomatischer Bakteriurie
{| style="border: 1px solid #aaa; border-left: 10px solid #F28500; background: #fbfbfb;"
|-
|
| class="mbox-image"| [[Image:Ambox_important_orange.svg.png|42px]]
| style="padding: 0.25em 0.5em; width: 100%;" |Dabei muss zwischen einer klinisch symptomatischen Harnwegsinfektion und einer asymptomatischen Bakteriurie unterschieden werden.
|}
* <u>keine Therapie erforderlich</u>
*Ausnahme: anstehende urologische Eingriff
==== Situation bei schwangeren ====
* Zystitis ist ein Risikofaktor für eine Frühgeburt, daher immer Antibiotika Therapie notwendig
* bei asymptomatischer Bakteriurie kann laut Leitlinie keine Empfehlung ausgesprochen werden, da in Studien kein Beleg für einen Nutzen erbracht werden konnte
* daher bei Schwangeren mit asymptomatischer Bakteriurie keine Urin-Screening empfohlen
<br />
== Interpretation der Keimzahl im Urin ==
== Interpretation der Keimzahl im Urin ==
{| class="wikitable"
{| class="wikitable"
! colspan="4" style="background-color:#B3B7FF;" |Interpretation der Keimzahlen bei einem Harnwegsinfekt (HWI)
! colspan="4" style="background-color:#B3B7FF;" |Interpretation der Keimzahlen bei einem Harnwegsinfekt (HWI)
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|}
|}
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== Erreger ==
== asymptomatische Bakteriurie ==
Erregerspektrum
 
* in 80% gram-negative Erreger, wie: E. coli, Klebsiella spp., Enterobacteriaceae (Bsp. Citrobacter freundii)
==== Definition ====
* in 20% gram-positive Erreger, wie: Staphylokokken, Enterokokken, B-Streptokokken<br />
 
{| style="border: 1px solid #aaa; border-left: 10px solid #F28500; background: #fbfbfb;"
* ab einer Keimzahl von 10<sup>4</sup> ohne klinische Symptomatik, spricht von asymptomatischer Bakteriurie
|-
 
|
==== Therapie ====
| class="mbox-image"| [[Image:Ambox_important_orange.svg.png|42px]]
 
| style="padding: 0.25em 0.5em; width: 100%;" |Am häufigsten wird eine Cystitis durch E. coli verursacht. Da die Sensibilität von Amoxicillin und Ampicillin gegenüber E. coli nur bei ca. 60% liegt, stellen diese Substanzen keine Option zur kalkulierten Therapie dar!
* <u>keine</u>
|}
*Ausnahme: anstehende urologische Eingriff
<ul></ul>
 
==== Situation bei schwangeren: ====
 
* Zystitis ist ein Risikofaktor für eine Frühgeburt, daher immer Antibiotika Therapie notwendig
* bei asymptomatischer Bakteriurie kann laut Leitlinie keine Empfehlung ausgesprochen werden, da in Studien kein Beleg für einen Nutzen erbracht werden konnte
* daher bei Schwangeren mit asymptomatischer Bakteriurie keine Urin-Screening empfohlen<br />
== unkomplizierter Harnwegsinfekt bei Frauen und Schwangeren ==
== unkomplizierter Harnwegsinfekt bei Frauen und Schwangeren ==
Pivmecillinam ist in zahlreichen Ländern seit vielen Jahren Mittel der Wahl zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis. Es zeichnet sich neben einer guten Wirksamkeit auch durch eine stabile Resistenzlage und guter Verträglichkeit aus.
Pivmecillinam ist in zahlreichen Ländern seit vielen Jahren Mittel der Wahl zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis. Es zeichnet sich neben einer guten Wirksamkeit auch durch eine stabile Resistenzlage und guter Verträglichkeit aus.
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|3g po
|3g po
|1x
|1x
|KI bei GFR < 20
|Einmalgabe bei Niereninsuffizienz i.d.R. problemlos möglich
|-
|-
|Alternative
|Alternative
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* CRP
* CRP
* zum Ausschluss komplizierender Faktoren Abdomen Sonographie
* zum Ausschluss komplizierender Faktoren Abdomen Sonographie
* bei Schwangeren soll nach Abschluss der Therapie soll zur Verifizierung der Eradikation eine erneute Urinkultur angelegt werden
* bei Schwangeren nach Abschluss der Therapie erneute Urinkultur zur Verifizierung der Eradikation


==== <u>Therapie</u> ====
==== <u>Therapie</u> ====


====== <u>leichte bis moderate Form</u> ======
====== <u>leichte bis moderate Form</u> ======
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|-
|-
|1. Wahl
|1. Wahl
|Ciprofloxacin
|Levofloxacin
|2x 500mg po
|1x 750mg po
| 7-10 d
| 5 d
|DANI GFR > 60: 100%
|DANI GFR > 50: 100%
|-
|-
|Alternative
|Alternative
|Levofloxacin
|Cefpodoxim
| 1x 750mg po
| 2x 200mg po
|5 d
|10 d
|DANI GFR > 50: 100%
|CAVE: kann zu vermehrten Auftreten von ESBL-Bildnern führen.
Dosis eigentlich zu niedrig. Keine Daten vorhanden zu Therapie in höherer Dosierung. In höherer Dosierung Gefahr der gastrointestinalen Nebenwirkungen erhöht.
|-
|-
|Alternative
|Alternative
|Cefpodoxim
|Ciprofloxacin
|2x 200mg po
|2x 500mg po
|7 d
|7-10 d
|DANI GFR > 40: 100%
|DANI GFR > 60: 100%
|}
|}


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|-
|-
| 1. Wahl
| 1. Wahl
|Ceftriaxon
|Piperacillin/Tazobactam
|1x 2g iv
|3-4 x 4,5g iv
|7-14 d
|10-14 d
|DANI GFR > 10: 100%
|DANI GFR > 10: 100%
|-
gilt bei 4x 4,5g
|Alternative
|Piperacillin/Tazobactam
|3x 4,5g iv
| 7-14 d
|DANI GFR > 20: 100%
|-
|-
|Alternative
|Alternative
|Ciprofloxacin
|Ciprofloxacin
|2x 400mg iv  
|2x 400mg iv
|7-14 d
| 10-14 d
|DANI GFR > 60: 100%  
|DANI GFR > 60: 100%<br >bessere Wirksamkeit gegenüber Pseudomonas aeruginosa als Levofloxacin
|}
|}
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|-
|-
|Alternative
|Alternative
|Ciprofloxacin
|Ciprofloxacin<br>bei Penicillin Allergie
|4 x 400mg po
|2 x 250mg po
|7 d
|7 d
|CAVE: rote Handbriefe  
|CAVE: rote Handbriefe  
|}
|}
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==komplizierter Harnwegsinfekt bei Männern==
 
Beachte: immer an Prostatitis, Epididymitis und Pyelonephritis denken!
==komplizierter Harnwegsinfekt==
Immer Urinkultur vor Therapiebeginn!
Risikofaktoren, die mit einem komplizierten Verlauf assoziiert sind:
<ul>
<li>angeborene anatomische Veränderungen der Harnwege</li>
<li>erworbene anatomische Veränderungen<ul><li>Strikutren</li><li>Tumore</li><li>etc.<li></li></ul>
<li>funktionelle Veränderungen</li><ul>chronische Niereninsuffizienz</li><li>Entleerungsstörungen</li><li>vesiko-uretero-renaler Reflux</li></ul>
<li>Immundefizienz</li>
<li>Leberinsuffizienz</li>
<li>entgleister/schlecht eingestellter Diabetes mellitus</li><li>immunsuppressive Therapie</li>
<li>eingebrachte Fremdkörpe (bspw. Harnleiterschienen)</li>
</ul>


{| class="wikitable"
{| class="wikitable"
! colspan="5" style="background-color:#B3B7FF;" | komplizierter Harnwegsinfekt bei Männern mit/ohne Beteiligung der Prostata
! colspan="5" style="background-color:#B3B7FF;" | komplizierter Harnwegsinfekt  
|-
|-
|Präferenz
|Präferenz
|Substanz
|Substanz
| Dosierung
|Dosierung
|Dauer
|Dauer
|Anpassungen
|Anpassungen
|-
|-
|1. Wahl
|Möglichkeit 1
|Ceftriaxon
|Ceftriaxon
|1x 2g iv
|1x 2000mg iv
|7 d
|7 - 10 d
|< 10: max 2g/d
|bei Prostatitis Therapie über 21-28 d
|-
|-
|Alternative
|Alternative
|Piperacillin/Tazobactam
|Piperacillin/Tazobactam
|3x 4,5mg iv
|3x 4,5g iv
|7 d
|7 - 10 d
|Dosisanpassung GFR < 20
|bei Prostatitis Therapie über 21-28 d
|-
|-
|Alternative
|Alternative<br>bei Penicillin Allergie
|Ciprofloxacin  
|Ciprofloxacin
|4x 400 mg iv
|2x 400mg iv/
|7 d
2x 500mg po
|Dosisanpassung GFR < 60
|7 - 10 d
|bei Prostatitis Therapie über 21-28 d
|}
 
{| style="border: 1px solid #aaa; border-left: 10px solid #F28500; background: #fbfbfb;"
|-
|
| class="mbox-image"| [[Image:Ambox_important_orange.svg.png|42px]]
| style="padding: 0.25em 0.5em; width: 100%;" |Die Diagnose eines komplizierten Harnwegsinfekts ist nicht immer trivial und sollte bei Bedarf mit einer/einem erfahrenen Kolleg-/in besprochen weden! Vor Therapiebeginn immer Urinkultur gewinnen!
|}
|}
<br>
==komplizierter Harnwegsinfekt bei Männern und V.a. eine Epididymitis oder STI==
'''Immer Urinkultur vor Therapiebeginn!'''


{| class="wikitable"
==komplizierter Harnwegsinfekt mit resistenten Enterokokken==
! colspan="5" style="background-color:#B3B7FF;" |komplizierter Harnwegsinfekt bei Männern mit/ohne Beteiligung der Prostata
{|class="wikitable"
! colspan="5" style="background-color:#B3B7FF;" | komplizierter Harnwegsinfekt mit (Vanco-)resistenten Enterokokken
|-
|-
|Präferenz
|Präferenz
|Substanz
|Substanz
|Dosierung
| Dosierung
|Dauer
|Dauer
|Anpassungen
|Anpassungen
|-
|-
| rowspan="2" |1. Wahl
|1. Wahl
|Ceftriaxon
|Linezolid
|1x 2g iv
|2x 600mg po (iv)
|7 d
|5 - 7 d
|GFR < 10: max 2g/d
|
|-
|Azithromycin
|1g po
|1 d
|<nowiki>-</nowiki>
|-
|wenn Prostatitis, Epididymitis zusätzlich
|Doxycyclin
|3x 200mg po
|7 d
| -
|-
|Alternative
|Ciprofloxacin
|3x 400 mg po
|7 d
|CAVE: rote Handbriefe
|}
|}
Hinweise:
Linezolid wird unverändert zu 30% über den Urin ausgeschieden. Der Rest besteht aus zwei inaktive Metabolite. Dennoch eignet sich Linezolid zur Therapie einer symptomatischen Zystitis mit Vancomycin-resistenter Enterokokken. Da die orale Bioverfügbarkeit sehr gut, ist eine p.o. Therapie jederzeit möglich.<ref>Wingler MJ, Patel NR, King ST, Wagner JL, Barber KE, Stover KR. Linezolid for the Treatment of Urinary Tract Infections Caused by Vancomycin-Resistant Enterococci. Pharmacy (Basel). 2021 Oct 26;9(4):175. doi: 10.3390/pharmacy9040175. PMID: 34842791; PMCID: PMC8628880.</ref><ref>Pontefract BA, Rovelsky SA, Madaras-Kelly KJ. Linezolid to treat urinary tract infections caused by vancomycin-resistant Enterococcus. SAGE Open Med. 2020 Nov 4;8:2050312120970743. doi: 10.1177/2050312120970743. PMID: 33209303; PMCID: PMC7645773.</ref>
==Quellen==

Aktuelle Version vom 31. Juli 2024, 12:23 Uhr

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512px-Ambox important blue.svg.png Bitte beachten Sie: Diese Informationen richten sich ausschließlich an ärztliches Fachpersonal. Beachten Sie hierzu auch unsere Nutzungsbedingungen!


Eine der häufigsten Infektionen im ambulanten und klinischen Setting. Grundsätzlich ist Urin Screening v.a. in der ZNA/Notaufnahme als kritisch zu betrachten, da es zu Übertherapien führen kann. Zur Therapieentscheidung immer Klinik berücksichtigen.

Definition

Bei der Diagnostik, Therapie und Prävention einer Zystitis sollten folgende Patientengruppen voneinander unterschieden werden:

  • Nicht-schwangere Frauen in der Prämenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Schwangere ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Frauen in der Postmenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Jüngere Männer ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Patient*Innnen mit Diabetes mellitus und stabiler Stoffwechsellage ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen


Unkomplizierte Harnwegsinfektion

Eine Harnwegsinfektion wird als unkompliziert eingestuft, wenn

  • im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien vorliegen
  • keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen/Differenzialdiagnosen vorliegen


Zystits

Eine Zystitis (untere Harnwegsinfektion) wird angenommen, wenn sich die akuten Symptome nur auf den unteren Harntrakt beziehen.

  • neu aufgetretene Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie)
  • imperativer Harndrang
  • Pollakisurie
  • Schmerzen oberhalb der Symphyse


Pyelonephritis

Eine Pyelonephritis (obere Harnwegsinfektion) sollte angenommen werden, wenn sich bei den akuten Symptomen, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (> 38 °C) finden.


    asymptomatische Bakteriurie

    • ab einer Keimzahl von 104 ohne klinische Symptomatik, spricht von asymptomatischer Bakteriurie
    Ambox important orange.svg.png Dabei muss zwischen einer klinisch symptomatischen Harnwegsinfektion und einer asymptomatischen Bakteriurie unterschieden werden.
    • keine Therapie erforderlich
    • Ausnahme: anstehende urologische Eingriff

    Situation bei schwangeren

    • Zystitis ist ein Risikofaktor für eine Frühgeburt, daher immer Antibiotika Therapie notwendig
    • bei asymptomatischer Bakteriurie kann laut Leitlinie keine Empfehlung ausgesprochen werden, da in Studien kein Beleg für einen Nutzen erbracht werden konnte
    • daher bei Schwangeren mit asymptomatischer Bakteriurie keine Urin-Screening empfohlen


    Interpretation der Keimzahl im Urin

    Interpretation der Keimzahlen bei einem Harnwegsinfekt (HWI)
    Uringewinnung Keimzahl Interpretation
    asymptomatischer Patient Mittelstrahlurin ≥ 105 KbE/ml HWI wahrscheinlich
    104 KbE/ml HWI wahrscheinlich bei männlichen Patienten
    103-104 KbE/ml HWI möglich, v.a. bei Leukozyturie
    ≤ 103 KbE/ml meist kein HWI

    v.a. bei fehlender Leukozyturie und neg. Hemmstofftest aber:

    • bei Niereninsuffizienz Stad. III und IV HWI möglich
    • bei Frauen HWI möglich, wenn in zwei aufeinander folgenden Proben Leukozyturie und Dysurie
    Katheterurin ≥103 KbE/ml HWI möglich
    Blasenpunktions Urin jede Keimzahl HWI möglich
    symptomatischer Patient Mittelstrahlurin ≥ 105 KbE/ml wenn in zwei aufeinander folgenden Proben, dann HWI wahrscheinlich


    Erreger

    Erregerspektrum

    • in 80% gram-negative Erreger, wie: E. coli, Klebsiella spp., Enterobacteriaceae (Bsp. Citrobacter freundii)
    • in 20% gram-positive Erreger, wie: Staphylokokken, Enterokokken, B-Streptokokken
    Ambox important orange.svg.png Am häufigsten wird eine Cystitis durch E. coli verursacht. Da die Sensibilität von Amoxicillin und Ampicillin gegenüber E. coli nur bei ca. 60% liegt, stellen diese Substanzen keine Option zur kalkulierten Therapie dar!

      unkomplizierter Harnwegsinfekt bei Frauen und Schwangeren

      Pivmecillinam ist in zahlreichen Ländern seit vielen Jahren Mittel der Wahl zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis. Es zeichnet sich neben einer guten Wirksamkeit auch durch eine stabile Resistenzlage und guter Verträglichkeit aus.

      Unkomplizierter Harnwegsinfekt bei Frauen und bei Schwangeren (entspricht komplizierten HWI)
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Fosfomycin 3g po 1x Einmalgabe bei Niereninsuffizienz i.d.R. problemlos möglich
      Alternative Pivmecillinam 3x 400mg po 3 d keine Dosisanpassung bei eingeschränkter Niereninsuffizienz
      Alternative Nitrofurantoin 4x 50 mg po 7 d siehe Hinweisbox
      Ambox important orange.svg.png Zu Nitrofurantonin bestehen einige Anwendungsbeschränkungen. Der Einsatz sollte daher immer kritisch hinterfragt werden.
      • erhöhtes Hämolyserisiko bei Feten - Vorsicht bei Einnahme 30 Tage vor Geburtstermin
      • erhöhtes Risiko für eine toxische Hepatitis sowie eine Pneumonitis
      • kontraindiziert bei Patientinnen mit Glukose-6-Phosphatdehydrogenase Mangel


      Pyelonephritis

      Bei der Pyelonephritis handelt es sich um eine interstitielle eitrige Entzündung der Niere, die bei Frauen häufiger vorkommt als bei Männern. Die Prävalenz ist dabei in der Altersgruppe der 20 bis 30 jährigen am höchsten.

      Diagnostik

      • körperliche Untersuchung
      • Urinkultur und Urinstatus
      • CRP
      • zum Ausschluss komplizierender Faktoren Abdomen Sonographie
      • bei Schwangeren nach Abschluss der Therapie erneute Urinkultur zur Verifizierung der Eradikation

      Therapie

      leichte bis moderate Form
      Pyelonephritis: leichte bis moderate Form (orale Therapie)
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Levofloxacin 1x 750mg po 5 d DANI GFR > 50: 100%
      Alternative Cefpodoxim 2x 200mg po 10 d CAVE: kann zu vermehrten Auftreten von ESBL-Bildnern führen.

      Dosis eigentlich zu niedrig. Keine Daten vorhanden zu Therapie in höherer Dosierung. In höherer Dosierung Gefahr der gastrointestinalen Nebenwirkungen erhöht.

      Alternative Ciprofloxacin 2x 500mg po 7-10 d DANI GFR > 60: 100%
      schwere Form

      ist gekennzeichnet durch das Auftreten systemischer Symptome, wie

      • Fieber
      • Verschlechterung des Allgemeinzustands
      • Übelkeit/Erbrechen
      Pyelonephritis: schwere Form (iv Therapie)
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Piperacillin/Tazobactam 3-4 x 4,5g iv 10-14 d DANI GFR > 10: 100%

      gilt bei 4x 4,5g

      Alternative Ciprofloxacin 2x 400mg iv 10-14 d DANI GFR > 60: 100%
      bessere Wirksamkeit gegenüber Pseudomonas aeruginosa als Levofloxacin


      unkomplizierter Harnwegsinfekt bei jungen Männern

      Da bei Männern grundsätzlich eine Beteiligung der Prostata in Erwägung gezogen werden muss ist bei der Auswahl des Antibiotikums darauf zu achten, dass dieses einen ausreichenden Wirkspiegel in der Prostata erreicht. Dies ist bei Fosfomycin und Nitrofurantoin nicht der Fall. Beide Substanzen sind daher auch nicht für die Behandlung der Zystitis des Mannes zugelassen.

      Unkomplizierter Harnwegsinfekt bei jungen Männern
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Pivmecillinam 3 x 400mg po 3 d keine Dosisanpassung bei eingeschränkter Niereninsuffizienz
      Alternative Ciprofloxacin
      bei Penicillin Allergie
      2 x 250mg po 7 d CAVE: rote Handbriefe


      komplizierter Harnwegsinfekt

      Risikofaktoren, die mit einem komplizierten Verlauf assoziiert sind:

      • angeborene anatomische Veränderungen der Harnwege
      • erworbene anatomische Veränderungen
        • Strikutren
        • Tumore
        • etc.
      • funktionelle Veränderungen
        • chronische Niereninsuffizienz
        • Entleerungsstörungen
        • vesiko-uretero-renaler Reflux
      • Immundefizienz
      • Leberinsuffizienz
      • entgleister/schlecht eingestellter Diabetes mellitus
      • immunsuppressive Therapie
      • eingebrachte Fremdkörpe (bspw. Harnleiterschienen)
      komplizierter Harnwegsinfekt
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      Möglichkeit 1 Ceftriaxon 1x 2000mg iv 7 - 10 d bei Prostatitis Therapie über 21-28 d
      Alternative Piperacillin/Tazobactam 3x 4,5g iv 7 - 10 d bei Prostatitis Therapie über 21-28 d
      Alternative
      bei Penicillin Allergie
      Ciprofloxacin 2x 400mg iv/

      2x 500mg po

      7 - 10 d bei Prostatitis Therapie über 21-28 d
      Ambox important orange.svg.png Die Diagnose eines komplizierten Harnwegsinfekts ist nicht immer trivial und sollte bei Bedarf mit einer/einem erfahrenen Kolleg-/in besprochen weden! Vor Therapiebeginn immer Urinkultur gewinnen!

      komplizierter Harnwegsinfekt mit resistenten Enterokokken

      komplizierter Harnwegsinfekt mit (Vanco-)resistenten Enterokokken
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Linezolid 2x 600mg po (iv) 5 - 7 d

      Hinweise: Linezolid wird unverändert zu 30% über den Urin ausgeschieden. Der Rest besteht aus zwei inaktive Metabolite. Dennoch eignet sich Linezolid zur Therapie einer symptomatischen Zystitis mit Vancomycin-resistenter Enterokokken. Da die orale Bioverfügbarkeit sehr gut, ist eine p.o. Therapie jederzeit möglich.[1][2]

      Quellen

      1. Wingler MJ, Patel NR, King ST, Wagner JL, Barber KE, Stover KR. Linezolid for the Treatment of Urinary Tract Infections Caused by Vancomycin-Resistant Enterococci. Pharmacy (Basel). 2021 Oct 26;9(4):175. doi: 10.3390/pharmacy9040175. PMID: 34842791; PMCID: PMC8628880.
      2. Pontefract BA, Rovelsky SA, Madaras-Kelly KJ. Linezolid to treat urinary tract infections caused by vancomycin-resistant Enterococcus. SAGE Open Med. 2020 Nov 4;8:2050312120970743. doi: 10.1177/2050312120970743. PMID: 33209303; PMCID: PMC7645773.