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Einleitung

Bei Gefäßkatheter-assoziierten Infektionen handelt es sich um eine von intravasal einliegenden Kathetern ausgehende Infektion. Bei den Kathetern unterscheidet man zwischen Kurzzeitkatheter mit einer Verweildauer von weniger als 14 Tagen (periphere Verweilkanüle (PVK), zentrale Venenkatheter (ZVK, Sheldon), arterielle Kanüle) und chirurgisch implantierte Langzeitkatheter mit einer Liegedauer von mehr als 14 Tagen. Hierzu zählen beispielsweise Port-Systeme und Demerskatheter. Zu den häufigsten verursachenden Erregern gehören Staphylococcus aureus (S. aureus), koagulase-negative Staphylokokken (bspw. S. epidermidis) und Enterokokken. Diese können zu Infektionen unterschiedlicher Ausprägung führen.

Man unterscheidet:

  • Lokalinfektionen an der Kathetereintrittsstelle
  • (eitrige) Infektionen des Kathetertunnels
  • Katheter-assoziierte Blutstrominfektion bis hin zur Sepsis

Bei Verdacht auf eine Katheter-assoziierte Infektion ist die Beimpfung mehrerer Paar Blutkulturen obligat.


Pathophysiologie

Hauptursache für die Entstehung einer Gefäß-Katheter-assoziierten Infektion ist eine von der Einstichstelle ausgehende und in die Tiefe absteigende Abschwemmung von Bakterien. Bereits nach einigen Tagen kommt es dann zu einer Besiedelung der Kunststoffoberfläche des einliegenden Materials und der Entstehung eines Biofilms. Sehr viel seltener ist die intraluminale Einschwemmung von Erregern über beispielsweise kontaminierter Infusionslösungen. Die Biofilmentstehung verläuft in zwei Phasen. Am besten untersucht ist dieser Prozess für S. aureus und S. epidermidis. Aber auch E. coli ist in der Lage einen Biofilm zu bilden.

Phase 1: In Phase eins kommt es zunächst zu einer Adhäsion der Bakterien an der polymerisierten (= Oberflächenbeschichtung) Kunststoffoberfläche der Gefäßkatheter. Hierbei spielen neben physikochemische Kräfte auch bestimmte von den Bakterien gebildete Proteine, eine wichtige Rolle. Bei S. epidermidis ist das das Protein Tn917 und bei S. aureus das „biofilm-associated protein“ (Bap). [1]. Durch Wechselwirkungen mit extrazellulären Matrixproteinen kann es auch an unbehandelten Oberflächen zu einer Adhäsion kommen.

Phase 2: In der sich anschließenden zweiten Phase kommt es durch Proliferation zur Bildung von mehrschichtigen zusammenhängenden und in Extrazellulärmatrix eingebetteten Zellhaufen. Dabei dient die Zellmatrix als Nährmedium. Die Zelldichte der Bakterienpopulation wird dabei über spezifische Signalmoleküle gesteuert. Dieser Prozess wird auch als „quorum sensing“ [2]bezeichnet.

Biofilm Die Extrazellulärmatrix erfüllt neben der Nährstoffbereitstellung noch weitere Funktionen.

  • Schutz und Stabilität gegenüber äußeren Einflüssen
  • Dichte der Matrix erschwert die Penetration durch beispielsweise Antibiotika
  • Bakterien können hier Zellteilungsrate und Stoffwechsel verlangsamen
  • bietet Möglichkeit langfristig synergistische Beziehungen zu weiteren Organismen der Matrix aufzubauen
  • Durch horizontalen Gentransfer ist Übertragung von Resistenzgenen möglich

Problematisch ist die Absonderung von Fragmenten des Biofilms, inkl. der Bakterien, die so zu einer Blutstrom- und/oder einer Infektion anderer Gewebe oder vorhandener Implantate führen kann.


Erreger

Das Erregerspektrum Katheter-assoziierter Infektionen konzentriert sich auf Koagulase-negative Staphylokokken, Staphylococcus aureus und Enterokokken. Bei immunsupprimierten Patienten müssen auch in seltenen Fällen Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa und Candida spp. in Betracht gezogen werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte man hier auf Candida Infektionen legen, da seit einigen Jahren eine Zunahme von Nicht-Candida-albicans-Spezies (C. tropicalis, C. glabrata und C. parapsilosis) zu beobachten ist.

Häufigkeit:

Erregerspektrum
Erreger Häufigkeit (%)
S. epidermidis 40 - 60
andere Koagulase-negative Staphylokokken 10 -15
S. aureus 5 - 10
Enterokokken 4 – 6
P. aeruginosa 3 – 6
Candida spp. 2 – 10
Enterobacteriaceae 1 – 5


Diagnostik

Lokale Infektzeichen an der Einstichstelle wie beispielsweise lokale Rötung und Fieber haben nur eine geringe Sensitivität und Spezifität. Daher ist eine mikrobiologische Umfeld Diagnostik obligat.

Es sollten immer Blutkulturflaschen aus dem liegenden Gefäßkatheter und nach Punktion einer peripheren Vene beimpft werden.

Interpretation der Ergebnisse:

  • Nachweis desselben Erregers in signifikanter Anzahl in mind. zwei Blutkulturflaschen aus dem liegenden Gefäßkatheter.
  • <lil>Sollte der Gefäßkatheter initial entfernt worden sein, so muss die Katheterspitze in die Mikrobiologie gesandt werden. Für eine Infektion spricht ein signifikanter Nachweis eines Erregers (> 15 koloniebildende Einheiten [kbE] nach Ausrolltechnik, bzw. > 100 kbE/ml nach Ultraschallbehandlung und kultureller Anzucht) plus mind. zwei positiven Blutkulturflaschen mit demselben Erreger.
  • Sollte der Gefäßkatheter nicht entfernt werden können, was in den meisten Fällen der Fall ist, kann die Bestimmung der „differential time to positivity” hilfreich sein. Hierzu werden aus dem liegenden Gefäßkatheter und aus einer peripheren Vene Blutkulturflaschen beimpft. Für das Vorliegen einer Gefäßkatheter-assoziierten Infektion spricht eine um ca. ein bis zwei Stunden schnellere positive Blutkulturflasche aus dem liegenden Gefäßkatheter im Vergleich zu denen aus der peripheren Vene.


Einteilung Gefäßkatheter-assoziierten Infektionen

  1. Gefäßkatheter-assoziierte Infektion wahrscheinlich:
  • Vorhandensein lokaler Infektzeichen an der Einstichstelle
  • plus mindestens eine positive Blutkulturflasche
  • wenn trotz Katheter Entfernung innerhalb von 48 Stunden ein therapierefraktäres Fieber bestehen bleibt
  • unkomplizierte Gefäßkatheter-assoziierte Infektion
    • Vorhandensein von klinischen Infektzeichen plus
    • positive Blutkulturen aus dem Gefäßkatheter und der Peripherie
    • Entfieberung und negative Blutkultur nach 48 bis 72 Stunden
    • Ausbleiben von Komplikationen, wie:
      • Endokarditis
      • Spondylodiszitis
      • Nachweis von Staphylococcus aureus
      • septische Thrombophlebitis
    • Nicht-Vorhandensein von:
      • Immunsuppression
      • maligne Grunderkrankung
  • komplizierte Gefäßkatheter-assoziierte Infektion
    • Vorliegen einer Immunsuppression und/oder maligner Grunderkrankung
    • persistierende positive Blutkulturen trotz Therapie > 48 Stunden
    • Auftreten von Komplikationen, wie:
    • Endokarditis
    • Osteomyelitis
    • Spondylodiszitis
    • Thrombophlebitis oder Embolien
    • Abszessbildung


    Allgemeine Therapie Maßnahmen

    Grundsätzlich sollte eine Entfernung des Gefäßkatheters und die Neu-Anlage nach Therapie-Ende angestrebt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Gefäßkatheter aber auch in situ belassen werden. Hierzu müssen alle der folgenden Punkte erfüllt sein:

    • Katheter muss dringend benötigt und schwer entfernbar sein
    • Patient muss hämodynamisch stabil sein
    • eine Endokarditis muss definitiv ausgeschlossen sein
    • abgesiedelte Infektionsherde müssen ausgeschlossen sein (Cave: Osteosynthesematerial)
    • Ausschluss von Taschen- und Tunnelinfektionen
    • Nachweisbarer Antibiotikatherapie Erfolg innerhalb von 48 bis 72 Stunden
    • es darf sich nicht um einen Infektion mit folgenden Erregern handeln
      • S. aureus
      • Corynebacterium spp.
      • Bacillus spp.
      • Pseudomonas spp.
      • Propionibacterium spp.

      Für die Neu-Anlage müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

      • Blutkulturen müssen negativ sein
      • Neu-Anlage unter laufender Antibiotikatherapie
      • hämodynamische Stabilität
      • nach Möglichkeit nach Ausschluss von metastatischen Absiedelungen


      Therapiedauer

    1. unkomplizierte Infektion
    2. Die Therapiedauer richtet sich nach dem nachgewiesenen Erreger.
    3. komplizierte Infektionen
    • die Therapie richtet sich nach Art der Komplikation
    • Endokarditis: 4 bis 6 Wochen
    • Osteomyeltis: 6 bis 8 Wochen


    Erreger
    Erreger Therapiedauer
    Koagulase-negative Staphylokokken 7 Tage
    Enterokokken und Enterobacteriaceae 7 bis 14 Tage (nach klinischem Verlauf)
    Staphylococcus aureus mindestens 14 Tage
    Pseudomonas spp. 14 Tage


    Siehe hierzu auch die entsprechenden Kapitel.

    Antibiotika Therapie

    Grundsatz:

    • als Grundlage der kalkulierten Therapie dient der vermutete Erreger unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzsituation
    • bei bekannter erhöhter Inzidenz für MRSA auf Station oder der Einrichtung des Patienten, sollte die Therapie mit einem Glykopeptid eingeleitet werden
    • bei Verdacht auf eine Infektion mit gram-negativen Erregern, sollte ein Pseudomonas-wirksames Antibiotikum gewählt werden.
    Ambox important orange.svg.png Die gezielte Therapie sollte nach Erregernachweis so schmal wie möglich fortgeführt werden.


    Ambox important orange.svg.png Grundsätzlich Kontaktaufnahme zum ABS-Team!


    koagulase-neg. Staphylokokken, Oxacillin-resistent
    Präferenz Substanz Dosierung
    1. Wahl Vancomycin Media:Dosierschema_Vancomycin_UEK.pdf
    Alternative Cefazolin 3 x 2g iv
    bei begründeter Penicillin Allergie Clindamycin 3 x 600mg iv


    kalkuliert, komplizierte Infektion
    Präferenz Substanz Dosierung
    1. Wahl Piperacillin/Tazobactam
    plus
    Vancomycin
    4 x 4,5g iv
    Alternative
    und
    begründeter Penicillin Allergie
    Meropenem
    plus
    Vancomycin
    3 x 1 g iv


    Quellen

    1. von Eiff C, Peters G, Heilmann C. Pathogenesis of infections due to coagulase-negative staphylococci. Lancet Infect Dis. 2002 Nov;2(11):677-85. doi: 10.1016/s1473-3099(02)00438-3. PMID: 12409048.
    2. https://de.wikipedia.org/wiki/Quorum_sensing