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Eine der häufigsten Infektionen im ambulanten und klinischen Setting. Grundsätzlich ist Urin Screening v.a. in der ZNA/Notaufnahme als kritisch zu betrachten, da es zu Übertherapien führen kann. Zur Therapieentscheidung immer Klinik berücksichtigen.

Definition

Bei der Diagnostik, Therapie und Prävention einer Zystitis sollten folgende Patientengruppen voneinander unterschieden werden:

  • Nicht-schwangere Frauen in der Prämenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Schwangere ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Frauen in der Postmenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Jüngere Männer ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen
  • Patient*Innnen mit Diabetes mellitus und stabiler Stoffwechsellage ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen


Unkomplizierte Harnwegsinfektion

Eine Harnwegsinfektion wird als unkompliziert eingestuft, wenn

  • im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien vorliegen
  • keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen/Differenzialdiagnosen vorliegen


Zystits

Eine Zystitis (untere Harnwegsinfektion) wird angenommen, wenn sich die akuten Symptome nur auf den unteren Harntrakt beziehen.

  • neu aufgetretene Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie)
  • imperativer Harndrang
  • Pollakisurie
  • Schmerzen oberhalb der Symphyse


Pyelonephritis

Eine Pyelonephritis (obere Harnwegsinfektion) sollte angenommen werden, wenn sich bei den akuten Symptomen, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (> 38 °C) finden.


    asymptomatische Bakteriurie

    • ab einer Keimzahl von 104 ohne klinische Symptomatik, spricht von asymptomatischer Bakteriurie
      Dabei muss zwischen einer klinisch symptomatischen Harnwegsinfektion und einer asymptomatischen Bakteriurie unterschieden werden.
    • keine Therapie erforderlich
    • Ausnahme: anstehende urologische Eingriff

    Situation bei schwangeren

    • Zystitis ist ein Risikofaktor für eine Frühgeburt, daher immer Antibiotika Therapie notwendig
    • bei asymptomatischer Bakteriurie kann laut Leitlinie keine Empfehlung ausgesprochen werden, da in Studien kein Beleg für einen Nutzen erbracht werden konnte
    • daher bei Schwangeren mit asymptomatischer Bakteriurie keine Urin-Screening empfohlen


    Interpretation der Keimzahl im Urin

    Interpretation der Keimzahlen bei einem Harnwegsinfekt (HWI)
    Uringewinnung Keimzahl Interpretation
    asymptomatischer Patient Mittelstrahlurin ≥ 105 KbE/ml HWI wahrscheinlich
    104 KbE/ml HWI wahrscheinlich bei männlichen Patienten
    103-104 KbE/ml HWI möglich, v.a. bei Leukozyturie
    ≤ 103 KbE/ml meist kein HWI

    v.a. bei fehlender Leukozyturie und neg. Hemmstofftest aber:

    • bei Niereninsuffizienz Stad. III und IV HWI möglich
    • bei Frauen HWI möglich, wenn in zwei aufeinander folgenden Proben Leukozyturie und Dysurie
    Katheterurin ≥103 KbE/ml HWI möglich
    Blasenpunktions Urin jede Keimzahl HWI möglich
    symptomatischer Patient Mittelstrahlurin ≥ 105 KbE/ml wenn in zwei aufeinander folgenden Proben, dann HWI wahrscheinlich


    Erreger

    Erregerspektrum

    • in 80% gram-negative Erreger, wie: E. coli, Klebsiella spp., Enterobacteriaceae (Bsp. Citrobacter freundii)
    • in 20% gram-positive Erreger, wie: Staphylokokken, Enterokokken, B-Streptokokken
      Am häufigsten wird eine Cystitis durch E. coli verursacht. Da die Sensibilität von Amoxicillin und Ampicillin gegenüber E. coli nur bei ca. 60% liegt, stellen diese Substanzen keine Option zur kalkulierten Therapie dar!

      unkomplizierter Harnwegsinfekt bei Frauen und Schwangeren

      Pivmecillinam ist in zahlreichen Ländern seit vielen Jahren Mittel der Wahl zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis. Es zeichnet sich neben einer guten Wirksamkeit auch durch eine stabile Resistenzlage und guter Verträglichkeit aus.

      Unkomplizierter Harnwegsinfekt bei Frauen und bei Schwangeren (entspricht komplizierten HWI)
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Fosfomycin 3g po 1x Einmalgabe bei Niereninsuffizienz i.d.R. problemlos möglich
      Alternative Pivmecillinam 3x 400mg po 3 d keine Dosisanpassung bei eingeschränkter Niereninsuffizienz
      Alternative Nitrofurantoin 4x 50 mg po 7 d siehe Hinweisbox
        Zu Nitrofurantonin bestehen einige Anwendungsbeschränkungen. Der Einsatz sollte daher immer kritisch hinterfragt werden.
      • erhöhtes Hämolyserisiko bei Feten - Vorsicht bei Einnahme 30 Tage vor Geburtstermin
      • erhöhtes Risiko für eine toxische Hepatitis sowie eine Pneumonitis
      • kontraindiziert bei Patientinnen mit Glukose-6-Phosphatdehydrogenase Mangel


      Pyelonephritis

      Bei der Pyelonephritis handelt es sich um eine interstitielle eitrige Entzündung der Niere, die bei Frauen häufiger vorkommt als bei Männern. Die Prävalenz ist dabei in der Altersgruppe der 20 bis 30 jährigen am höchsten.

      Diagnostik

      • körperliche Untersuchung
      • Urinkultur und Urinstatus
      • CRP
      • zum Ausschluss komplizierender Faktoren Abdomen Sonographie
      • bei Schwangeren nach Abschluss der Therapie erneute Urinkultur zur Verifizierung der Eradikation

      Therapie

      leichte bis moderate Form
      Pyelonephritis: leichte bis moderate Form (orale Therapie)
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Levofloxacin 1x 750mg po 7-10 d DANI GFR > 50: 100%
      Alternative Cefpodoxim 2x 200mg po 7-10 d CAVE: kann zu vermehrten Auftreten von ESBL-Bildnern führen.

      Beachte zudem Enterokokken-Lücke der Cephalosporine!

      Alternative Ciprofloxacin
      bei Penicillin Allergie
      2x 500mg po 7-10 d DANI GFR > 60: 100%
      schwere Form

      ist gekennzeichnet durch das Auftreten systemischer Symptome, wie

      • Fieber
      • Verschlechterung des Allgemeinzustands
      • Übelkeit/Erbrechen
      Pyelonephritis: schwere Form (iv Therapie)
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Piperacillin/Tazobactam 3-4 x 4,5g iv 10-14 d DANI GFR > 10: 100%

      gilt bei 4x 4,5g

      Alternative Ciprofloxacin 2x 400mg iv 10-14 d DANI GFR > 60: 100%
      bessere Wirksamkeit gegenüber Pseudomonas aeruginosa als Levofloxacin


      unkomplizierter Harnwegsinfekt bei jungen Männern

      Da bei Männern grundsätzlich eine Beteiligung der Prostata in Erwägung gezogen werden muss ist bei der Auswahl des Antibiotikums darauf zu achten, dass dieses einen ausreichenden Wirkspiegel in der Prostata erreicht. Dies ist bei Fosfomycin und Nitrofurantoin nicht der Fall. Beide Substanzen sind daher auch nicht für die Behandlung der Zystitis des Mannes zugelassen.

      Unkomplizierter Harnwegsinfekt bei jungen Männern
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Pivmecillinam 3 x 400mg po 3 d keine Dosisanpassung bei eingeschränkter Niereninsuffizienz
      Alternative Ciprofloxacin
      bei Penicillin Allergie
      4 x 400mg po 7 d CAVE: rote Handbriefe


      komplizierter Harnwegsinfekt

      Beachte: immer an Prostatitis, Epididymitis und Pyelonephritis denken! Immer Urinkultur vor Therapiebeginn!

      komplizierter Harnwegsinfekt bei Männern mit/ohne Beteiligung der Prostata
      Präferenz Substanz Dosierung Dauer Anpassungen
      1. Wahl Ceftriaxon 1x 2000mg iv 7 - 10 d bei Prostatitis Therapie über 21-28 d
      Alternative Piperacillin/Tazobactam 3x 4,5mg iv 7 - 10 d bei Prostatitis Therapie über 21-28 d
      Alternative
      bei Penicillin Allergie
      Ciprofloxacin 2x 400mg iv/po 7 - 10 d bei Prostatitis Therapie über 21-28 d
        Bei Ceftriaxon sollte die bestehende Enterokokken Lücke berücksichtigt werden. Zudem sollten 3. Gernations Cephalosporinen immer mit Bedacht verordnet werden.